BGH: Facebooks Regeln zu "Hassrede" sind unwirksam

Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter stellen für die Nutzung ihrer Plattformen Regeln auf, darunter auch solche zum Umgang mit sog. Hassrede („Hate Speech“). Verstöße gegen die Regeln sanktioniert Facebook u.a. mit der Löschung von Beiträgen und in Einzelfällen auch mit vorübergehenden oder permanenten Account-Sperrungen. In gleich zwei solchen Fällen hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) dazu geurteilt, ob Facebook unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit Inhalte löschen darf, die zwar nicht strafbar sind, aber gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen.

In dem Verfahren ging es um die Klagen von zwei Facebook-Nutzern,  deren Beiträge wegen abschätziger Äußerungen über Muslime und Zugewanderte gelöscht wurden. Facebook hatte die Accounts außerdem für 3 bzw. 30 Tage gesperrt. Die Kläger wollten die Freischaltung der gelöschten Beiträge erreichen sowie Facebook zur Unterlassung einer erneuten Kontosperre verpflichten lassen. Das LG Regensburg und das OLG Nürnberg haben die Klagen in den Vorinstanzen im Wesentlichen abgewiesen.

Mit Urteilen vom 29.07.2021 (Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20) hat der BGH entschieden, dass Facebooks Geschäftsbedingungen mit Stand 19. April 2018 unwirksam sind, soweit sie die Löschung bzw. Sperre von Accounts betreffen. Dies gelte, weil sich Facebook nicht gleichzeitig dazu verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zurGegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. 

Der BGH hält fest, dass die geänderten Nutzungsbedingungen zwar wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen wurden. Hierzu genüge es, dass die Kläger auf die ihnen in Form eines Pop-up-Fensters zugegangene Mitteilung der Beklagten über die beabsichtigte Änderung die entsprechende, mit "Ich stimme zu" bezeichnete Schaltfläche angeklickt hatten. 

Die Gemeinschaftsstandards seien jedoch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie die Nutzer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen würden. Es müsse eine Abwägung der betroffenen Grundrechte vorgenommen werden – hier auf Seiten der Nutzer die Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG und auf Seiten von Facebook die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG. 

In den konkreten Fällen müssen die Inhalte nun wieder hergestellt werden. Für die Zukunft steht aber fest, dass Facebook – und damit auch anderen soziale Netzwerke – berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks die Einhaltung bestimmter Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben (z.B. Beleidigung, Verleumdung oder Volksverhetzung) hinausgehen. Die Plattformen dürfen sich das Recht vorbehalten, bei Verstößen gegen die Kommunikationsstandards Beiträge zu entfernen und das betreffende Nutzerkonto zu sperren. Es ist mit einer zeitnahen Aktualisierung der Nutzungsbedingungen zu rechnen.

Das Recht zur Sperre besteht laut Urteil des BGH allerdings nur dann, wenn sich der jeweilige Anbieter gleichzeitig verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt.

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